Jerstedt war seit dem Mittelalter eines der größeren Dörfer im Vorharz-Gebiet des Hochstifts Hildesheim. Es zählt zu der Kulturlandschaft Vorharz (in dieser Gegend auch Nordharz genannt), die sich von umliegenden Landschaften in Niedersachsen durch die wirtschaftliche Einbeziehung der Bewohner in das Bergbau- und Hüttenwesen im und am eigentlichen Harzgebirge unterschied. Dies geschah durch Heranziehung der bäuerlichen Höfe zum Erz- und Holztransport zwischen Forst-, Bergbau- und Hüttenstandorten rund um Goslar (festgeschrieben 1548 nach weit älterer Vorlage). Auch die übrigen Einwohner waren durch das Fuhrmannswesen oft an das Wirtschaftsgeschehen um den Bergbau gekoppelt.
Neben der vorharztypischen Abhängigkeit vom Bergbau (ähnlich Vorharzer Bauerndörfern vom Ambergau bis ins Mansfeldische) unterschied Jerstedt ein bedeutendes Privileg von benachbarten Dörfern. Die Dorfschaft besaß als solche (noch jetzt als Realgemeinde) ein sehr wertvolles Stück Wald in den Harzbergen als unmittelbar eigenes Recht (jetzt Jerstedter Interessentenforst). Im Dorf selbst hatten die umliegenden Klöster bis zur Hildesheimer Stiftsfehde (1519/32) das Obereigentum an den meisten Höfen gewonnen, wurden dann aber von der damaligen braunschweigischen Herrschaft zurückgedrängt.
Wegebau brachte die sozialen Umwälzungen des 18./19. Jahrhunderts auch nach Jerstedt (das an der alten Straße Goslar-Hildesheim liegt, jetzt B6). Neben Bauern und Landhandwerker traten Chaussee-, dann auch Fabrik- und Bergarbeiter. Neue Zuströme stießen immer wieder auf privilegienbewußte Alt-Einwohner. Entsprechende soziale Reibereien brachten dem nationalsozialistischen Regime auch hier Anhänger. Andersdenkenden stand Schlimmes bevor. Hoch waren auch hier der Blutzoll, den einheimische (und später hier ansässige) Familien an den Zweiten Weltkrieg entrichten mussten, und der Leidensdruck auf die hierher Zivilverschleppten. Im Jahre 1945 wurden anrückende US-Truppen vom Kirchturm beschossen. Die zwei Handelnden kamen zu Tode, für das Dorf Jerstedt blieb es zum Glück bei Gebäudeschäden (die sehr alte Kirche blieb erhalten).
Nach Kriegsende überforderte zuerst der Zustrom v. a. ostdeutscher Vertriebener ab 1945/50 auch dieses Dorf, traf aber auf relativ günstige Bedingungen (da die Bauern das schlechte Land östlich des Orts relativ gern zur Übersiedlung aufgaben). Schließlich kamen Mittelstandsunternehmer und Eigenheimbauer dazu. Die bewohnte Fläche verdreifachte sich seit ca. 1940. Jerstedts Doppelprofil als Bauern- und Wohndorf ist bis heute spannungsreich, während die B6 als betonierte Überführung seit ca. 1976 die Ortslage teilt.
Bis zur endgültigen Auflösung der Ämter (1885) gehörte Jerstedt zum Amte Liebenburg (außer der französisch-westphälischen Zeit 1808/1813), dann zum Landkreise Goslar, und wurde am 1. Juli 1972 in die Stadt Goslar eingemeindet.